Zur Geschichte des FC Freya Limbach
Auszüge aus der Rede von Hermann Müller beim Festakt „75 Jahre FC Freya Limbach“ am 12. Juli 1996 ( im ersten Teil etwas gekürzt)
Sehr geehrte Anwesende, liebe Sportkameraden !
Wenn ein Verein sein 75. Gründungsjubiläum feiert, ist das gewöhnlich ein Anlass, voller Stolz und in festlicher Stimmung seine Erfolge und die Leistungen der Gründer und der Verantwortlichen über all die Jahre gebührend zu würdigen. Dieser obligatorische Teil einer Festansprache wird bei mir durchaus nicht fehlen, aber knapper ausfallen.
Ich möchte das Thema etwas breiter anlegenund in einem ersten Teil versuchen, über den Tellerrand des eigenen kleinen Amateurvereins und des Fußballs hinauszublicken. Es drängt mich, bei dieser Gelegenheit einige kritische Anmerkungen zum heutigen Sport insgesamt zu machen und Fehlentwicklungen besonders im Profibereich – so wie ich sie sehe – wenigstens in einigen Schlaglichtern aufzuzeigen. Eine unkritische und blauäugige Lobhudelei auf alles, was sich Sport und Fußball nennt, sollten Sie heute Abend jedenfalls nicht erwarten.
Ich glaube, auch ein Jubiläum wie dieses fordert dazu heraus, manches kritisch zu betrachten und sein Engagement für eine Sache zu überdenken, die zumindest im Profibereich häufig genug ihre hässliche Fratze kaum mehr verbergen kann. Obwohl wir einem kleinen Amateurverein angehören, sind wir alle durch das Fernsehen zugleich Konsumenten des Profisports und damit Teil jenes gigantischen Spektakels, das in seiner heutigen Form massive Kritik herausfordert. Ich will mich dabei auf einen wesentlichen Punkt beschränken.
Der Profisport ist in weiten Teilen zu einer widerlichen Geldorgie verkommen.Ich nenne nur zwei der krassesten Fälle: Formel 1 und Profitennis. Die Millionenbeträge, die da bezahlt werden, sprengen jedes Maß und sind eigentlich ein sportlicher und sozialer Skandal….
Wer sich noch ein Gefühl für ein angemessenes Preis-/Leistungsverhältnis bewahrt hat, wer zudem an der Basis des Breitensports arbeitet, wo man um jede Mark kämpfen muss, der muss sich angesichts solcher Wahnsinnssummen in seinem sportlichen und sozialen Empfinden zutiefst getroffen und herausgefordert fühlen.
Aber wer protestiert schon? Eine wild gewordene Presse und Öffentlichkeit jubiliert noch, wenn die Stars unerhört hohe Millionenbeträge einstreichen, und gibt sich der Illusion hin: sie tun das ja nur zur höheren Ehre Deutschlands. Um nicht missverstanden zu werden: mein Vorwurf geht nicht an die Stars, die solche Summen nehmen, sondern an die, welche sie ihnen nachwerfen….
Auch im Profifußball sind längst schlimme Entwicklungen in Gang gekommen, so dass man sich manchmal angewidert abwenden möchte. Ich will jetzt gar nicht reden von den üblen Begleiterscheinungen vieler Bundesliga-Spiele: Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten sogenannter Fans, Beleidigungen übelster Art in Stadien gegen Schiedsrichter und Gegner. Auch hier will ich mich auf die Finanzen beschränken. Die Spielergehälter und Ablösesummen explodieren geradezu und werden noch manchen Club in den finanziellen Ruin treiben. Die deutsche Fußballmeisterschaft wird längst durch das Geld entschieden. Von der Illusion, die Entscheidung falle auf rein sportlicher Ebene, sollten wir uns verabschieden. Wer das meiste Geld hat, kauft die besten Spieler und wird deutscher Meister. So einfach ist das mittlerweile.
Deswegen ist der heute übliche Starkult um die Trainer der Spitzenclubs maßlos überzogen, manchmal geradezu lächerlich, auch wenn diese, um ihre hohen Gehälter zu rechtfertigen, noch so wichtig tun, während des Spiels an der Seitenlinie herumtoben und nach dem Spiel große Sprüche klopfen. Wenn etwa der Ball durch eine Reihe von Zufällen den Weg ins Tor findet, dann behaupten sie: Das haben wir einstudiert ! Die größere Leistung vollbringen jedenfalls nicht die Trainer der Spitzenclubs, sondern die der Mannschaften in den unteren Tabellenregionen, die mit bescheidenen Mitteln und wesentlich schwächeren Spielern auskommen müssen. Vielleicht lohnt an dieser Stelle ein kurzer Blick auf frühere Jahrzehnte, in denen das Geld den Fußball noch nicht derart brutal dominierte. Vor einiger Zeit hatten wir Fritz Walter bei uns in Tauberbischofsheim zu Gast. Er war Ehrengast bei einem Fechtturnier; Emil Beck bat mich damals, ihn zu betreuen. In einem kurzfristig anberaumten Gesprächsabend im Sportheim berichtete Fritz Walter vor einer interessierten Zuhörerschaft vor allem über die 1950er Jahre.
320 Mark verdiente er damals monatlich bei seinem 1.FC Kaiserslautern so wie seine Mannschaftskameraden auch. Er widerstand jedoch den Verlockungen des Auslands, wohin ihn namhafte Trainer mit traumhaften Angeboten holen wollten. Zur Sprache kam auch das soziale Engagement Fritz Walters für straffällig gewordene Jugendliche. Wir waren jedenfalls beeindruckt vom menschlichen Format dieses Mannes, den von der aufgeblasenen Arroganz mancher Stars der heutigen Sportszene Welten trennen. Er steht für viele Fußballer seiner Generation – ich denke etwa noch an einen so großartigen Spieler wie Max Morlock – , die gemessen an den heutigen Spielergehältern fast für ein Butterbrot spielten und die man mit Recht als „die betrogene Generation“ bezeichnet hat. Spätestens an dieser Stelle wird es Zeit, diesen kritischen Blick auf Auswüchse im Profisport und besonders im Profifußball zu beenden und auf unseren Verein einzuschwenken, der ja ein Jubiläum feiert, auf die kleine, überschaubare und vielleicht noch einigermaßen heile Welt eines Amateurvereins.
Ich will hier nicht die Geschichte unseres 1921 gegründeten FC Freya Limbach im Einzelnen nacherzählen. Diese ist in den bisherigen Festschriften vorzüglich aufgearbeitet worden. Ich will nur die eine oder andere Einzelheit herausgreifen und auch ein paar eigene Erinnerungen einstreuen – sozusagen als kleine Mosaiksteine einer Vereinsgeschichte.
Da ist zunächst einmal dieser ungewöhnliche Vereinsname „Freya“, der schon immer Aufsehen erregt hat, weil er unverwechselbar ist. Anlässlich eines früheren Jubiläums – ich glaube, es war das 60-jährige im Jahr 1981 – habe ich über alle mögliche Stellen (z.B. den Deutschen Fußballbund und Kicker-Sportmagazin) zu ermitteln versucht, wie oft es diesen Vereinsnamen in Deutschland gibt. Dabei stellte sich heraus: jeder andere Vereinsname kommt hundertmal, tausendmal vor; der Name „Freya“ ist einmalig! Wer auch immer auf die Idee kam, die germanische Glücksgöttin Freya auszuwählen, er verdient ein großes Kompliment. Soweit ich herausfinden konnte, war es unser unvergessener Sportkamerad Karl Zimmermann, dem diese originelle Namensgebung hauptsächlich zu verdanken ist.
Die Freya-Fußballer der ersten Stunde, auf alten Bildern mit unförmigen, bis über die Knie reichenden Hosen, meist mit dicken Wollstrümpfen als Stutzen, mit Zeitungspapier oder dem Konradsblatt als Schienbeinschützern und mit einfachsten Kickstiefeln, also mit einer Sportausrüstung, über die eine verwöhnte Generation heute nur lachen würde – diese Freya-Fußballer spielten in den 1920er und 1930er Jahren mit beachtlichem Erfolg im Elsenzgau, dann im Bauland, zweimal nach dem Aufstieg sogar in der Bezirksklasse Heidelberg, seit 1937 in der Kreisklasse Mosbach.
Der Kriegsausbruch im September 1939 beendete den Spielbetrieb recht jäh. Einberufungen zur Wehrmacht rissen auch die Freya-Fußballer aus der vertrauten Umgebung ihrer Familien und ihres Fußballvereins. Allzu viele kehrten nicht mehr heim. In der Festschrift anlässlich des 30-jährigen Jubiläums 1951 ist auf den Bildern aus den 1930er Jahren hinter vielen Namen vermerkt: gefallen, vermisst. Es war ein Verlust, der sportlich und vor allem menschlich schwer wog.
Doch im Jahr 1946 erwachte die Freya zu neuem Leben. Aus Spielern, die schon in der Vorkriegszeit aktiv gewesen waren und nun aus der Gefangenschaft heimkehrten, aus jungen Speilern, die noch nicht hatten einrücken müssen, und nicht zuletzt aus Spielern, die mit ihren Familien durch das schwere Schicksal der Vertreibung in unser Dorf gekommen waren, wurde eine schlagkräftige Mannschaft aufgebaut, die in der Bezirksklasse bald wieder aufhorchen ließ.
Eine wichtige Rolle spielten in der frühen Nachkriegszeit Spieler aus umliegenden Orten, die sich dem FC Freya Limbach anschlossen und eine erhebliche Verstärkung bedeuteten. Seit Anfang der 1950er Jahre gründeten diese Nachbarorte eigene Fußballvereine – mit Ausnahme von Scheringen, dessen Fußballer (z. B. Gerhard Albert, „de Wadle“) auch weiterhin in Limbach aktiv waren.
Seit 1948, als Karl Kehl die Vereinsführung übernahm, ging es spürbar aufwärts. Die Mannschaft um Kapitän Walter Steinberg errang in der Saison 1950/51 die Meisterschaft in der aus den Bezirksklassen damals neugeschaffenen 2. Amateurliga Odenwald; dieser erste große Erfolg wurde beim 30-jährigen Jubiläum 1951 gebührend gefeiert.
Damit hatte das große, das goldene Freya-Jahrzehnt begonnen, die 1950er Jahre, in denen noch vier weitere Meisterschaften in der 2. Amateurliga Odenwald nach Limbach geholt wurden. Einmal, in der Saison 1952/53, war es allerdings eine Doppelmeisterschaft. Der TSV Tauberbischofsheim, bei dem ich jetzt tätig bin, zählt 1952/53 auch zu seinen Meisterschaften; durch Nachholspiele war er noch punktgleich geworden, sogar mit gleicher Tordifferenz (aber mit weniger geschossenen Toren, was damals noch nicht entscheidend war). Mittlerweile hatte unsere Freya-Elf schon zwei Aufstiegsspiele absolviert und verloren. Da machte es keinen Sinn mehr, noch ein Entscheidungsspiel auszutragen.
Auch wenn diese eine Meisterschaft mit einem anderen Verein geteilt werden musste, bleiben diese 1950er Jahre der sportliche Höhepunkt in der Freya-Geschichte. Zum Aufstieg hat es allerdings nie gereicht. Während heutzutage der Meister automatisch aufsteigt, musste damals eine Aufstiegsrunde gespielt werden. 1957 waren beispielsweise Sandhausen, Kirchheim, KSC Amateure und Kirrlach die Gegner. Unser Waldsportplatz hat damals unvergessliche Spiele erlebt, etwa ein 7 : 2 gegen die Amateure des KSC. In dieser Aufstiegsrunde von 1957 erzielte übrigens unsere Mannschaft in acht Spielen 20 Tore, mehr als die beiden Aufsteiger Sandhausen und Kirchheim.
In den 1960er Jahren ging es dann langsam, aber sicher bergab. Die Serie der Meisterschaften war zu Ende; der Kampf gegen den Abstieg begann. Am Ende der Saison 1966/67 war es erstmals soweit: nach fast zwei Jahrzehnten Zugehörigkeit zur 2. Amateurliga Odenwald musste der bittere Weg in die A-Klasse angetreten werden. Dem sofortigen Wiederaufstieg folgte erneut der Abstieg in die A-Klasse.
Die folgenden Jahrzehnte will ich nur noch in Stichworten skizzieren:
— ab 1969/70 fünf Jahre in der A-Klasse
— 1974/75 und 1975/76 noch einmal zwei Jahre in der 2. Amateurliga Odenwald
— ab 1976/77 nach Abstieg acht Jahre in der Bezirksliga
— ab 1984/85 nach weiterem Abstieg sechs Jahre in der Kreisliga A
— seit 1990/91 wieder in der Bezirksliga. Nach einem Aufstieg sah es in den vergangenen Jahren nicht aus.
Ich will es bei diesem knappen Überblick über die letzten Jahrzehnte belassen, da ihr Verlauf den meisten Anwesenden ohnehin bekannt ist, und will noch einige mehr persönlich geprägte Anmerkungen zu denkwürdigen Ereignissen der Freya-Geschichte machen, Erinnerungen, die mir bei einem Anlass wie dem heutigen einfallen. Ich denke da an den alten Sportplatz draußen im Wald, die frühere Herbingers-Wiese, die Ende der 1940er Jahre notdürftig zu einem Sportplatz hergerichtet wurde. So idyllisch seine Lage im Wald auch war, so schlimm war sein Zustand in den Herbst- und Wintermonaten, wenn man in Schlamm und Morast beinahe versank. „Das Wildsau-Stadion“ – so hat man unseren Platz damals gelegentlich genannt. „Match im Matsch“ – diese Schlagzeile der Presse aus dem Jahr 1957 wird mancher noch in Erinnerung haben; es war, so erinnere ich mich, ein knapper 1 : 0 – Sieg gegen Kickers Walldürn in der Entscheidungsrunde zwischen den punktgleichen Mannschaften aus Mosbach, Walldürn und Limbach, welche die Freya-Elf für sich entschied. Auf diesem Platz war vieles möglich. Wer auf Zeit spielen wollte, drosch den Ball an der oberen Seite in die Fichten; dort war er oft genug unauffindbar. Die Holzstangen als Barrieren standen an der Talseite so dicht an der Außenlinie, dass die Außenstürmer manchen Gefahren ausgesetzt waren. Einem Tauberbischofsheimer Linksaußen – so wurde mir mehrfach erzählt – soll es passiert sein, dass er von einem Zuschauer mit dem Regenschirm am Fuß festgehalten wurde. Derselbe Regenschirm soll dann später nochmals im Einsatz gewesen sein, als es nach der hektisch verlaufenen Partie bei dem Rückmarsch über das Wiesental noch ein unschönes Nachspiel gab. Dort unten an der Talseite standen immer ein paar Hitzköpfe. Mit diesem Platz verbinden sich Erinnerungen an große Spiele und an eine Zeit, in der noch Tore fielen. Vor allem drei Meisterschaftsjahre ragen heraus: 1954/55 gab es ein Torverhältnis von 107 : 36, 1956/57 von 114 : 28 und 1957/58 von 113 : 35. Welche Mannschaft kommt heute noch über 100 Tore ? Damals gab es noch Ergebnisse, von denen man heute nur träumen kann: 7 : 1, 6 : 3, ab und zu sogar ein 8 : 0 oder 10 : 0. An einem Tag wie diesem fallen einem auch die Namen von Männern ein, die diesen Verein geprägt und in ihm Verantwortung getragen haben. Ich nenne stellvertretend für alle unseren unvergessenen Karl Kehl, der sich als Vorstand in herausragender Weise um den FC Freya Limbach verdient gemacht hat. Sein Erbe ist erfolgreich fortgeführt worden und liegt heute in den bewährten Händen von Bruno Heckmann, dem ich zusammen mit seinen Mitstreitern für die Zukunft alles Gute wünsche. Sehr geehrte Anwesende, ich habe Ihnen heute Abend einiges vorgetragen, was viele so wahrscheinlich nicht erwartet haben. Was war da nicht alles? Profisport, insbesondere auch der Profifußball mit seinen teilweise unschönen Begleiterscheinungen und dann auch noch etwas Freya-Geschichte, der alte Sportplatz und Erinnerungen an die gute alte Freya-Zeit. Etwas viel auf einmal und scheinbar völlig zusammenhanglos. Ich selbst sehe das nicht so. Auch der erste Teil mit seiner deutlichen Kritik an manchen Erscheinungen im Profisport und auch im Profifußball war im Grunde ein Loblied auf den Amateursport alter Prägung, in dem allein ich noch die Ideale erkenne, die ein Engagement für den Sport überhaupt rechtfertigen. Ich sprach bewusst vom Amateursport alter Prägung. Denn auch der Amateurfußball hat heute seine Unschuld längst verloren. Auch dort tun sich, was die Finanzen angeht, mittlerweile Dinge, die empörend sind, wenn etwa junge Spieler mit 18/19 Jahren, in die ein Verein viel Arbeit investiert hat, mit fünfstelligen, auf die Hand gezahlten Beträgen weggelockt werden. Aber ich will das jetzt nicht weiter vertiefen und nicht noch einmal zu einem Donnerwetter ansetzen. Sonst finde ich überhaupt kein Ende.Sehr geehrte Anwesende, ich habe Ihnen eine teilweise schwer verdauliche Kost zugemutet und an einem schönen Jubiläum auch unschöne Dinge angesprochen. Aber auch im Sport muss man den Realitäten ins Auge sehen, und die sind leider nicht immer schön und angenehm. Auch bei einem Jubiläum muss es erlaubt sein, auf solche Dinge einmal hinzuweisen. Jetzt aber mache ich einfach Schluss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.